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Schande bei Hochzeit ohne Zahlung an Brauteltern?

Schande bei Hochzeit ohne Zahlung an Brauteltern?Wir haben eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Hochzeit „ausgegraben“, die angesichts des Inhalts (Zahlung für Hochzeit, Rückerstattung bei mangelnder Jungfernschaft und Trennung) deutlicher älter wirkt, als man dies meinen sollte …

Hochzeit im Kreise der Volksgruppe der Roma

Der Oberste Gerichtshof hatte sich zu 5 Ob 129/02k mit den Folgen einer Hochzeit im Kreise der Roma auseinanderzusetzen. Der Kläger (Vater des Bräutigams) und die Beklagten (Eltern der Braut) sowie deren Kinder sind Angehörige der Volksgruppe der Roma.

Zahlung für Zustimmung zur Verehelichung

Nach Roma-Tradition vereinbarten sie eine Zahlung des Vaters des Bräutigams, an die Eltern der Braut für deren Zustimmung zur "Verehelichung" ihrer Tochter im Zuge der Verlobung. Die Beklagten hätten der "Hochzeit" ohne Zahlung nicht zugestimmt, da die Freigabe einer Tochter ohne Zahlung der Eltern des "Bräutigams" nach Roma-Tradition eine Schande für die Familie wäre.

Die Zahlung steht nicht in ,Zusammenhang mit ,Ausstattung oder ,Kosten des "Hochzeitsfestes". Entsprechend den Roma-Gebräuchen hat die "Braut" nach der "Hochzeit" im Haushalt der "Schwiegereltern" zu arbeiten und selbst verdientes Geld an das Familienoberhaupt abzuliefern. Der "Bräutigam" kann die "Braut" nach der Tradition zu den Eltern zurückschicken, wenn sie bei der Eheschließung nicht mehr Jungfrau war, dann ist auch der Freigabebetrag von den Eltern der Braut zurückzuerstatten. War die "Braut" aber Jungfrau und verlässt sie ihren "Ehemann" bevor sie den Freigabepreis abgearbeitet hat, muss unter Umständen ein Teil des Geldes zurückerstattet werden, je nach dem, wer an der Trennung die Schuld trägt. Diese Streitigkeiten werden üblicherweise vor dem Roma-Kris ausgetragen, einer Art Schiedsgericht. Diese Traditionen sind den Streitteilen bekannt. ATS 30.000 wurden vor der "Hochzeit" bezahlt, der Restbetrag von ATS 110.000 wurde vom Kläger nach der Hochzeit und erfolgter Zusicherung des Zweitbeklagten bezahlt, sollte sich herausstellen, dass seine Tochter nicht mehr Jungfrau gewesen sei, würde er selbstverständlich das Geld zurückzahlen.

Trennung der Brautleute

Der zweitägigen "Hochzeit" folgte eine zweiwöchige Reise, dann lebten die Brautleute gemeinsam im Haushalt des Vaters des Bräutigams, wo die Braut sich aber nicht eingewöhnen konnte und Ende Oktober 1998 wieder zu ihren Eltern zurückkehrte. Zwar nahm sie in der Folge mit Bräutigam ohne Wissen der Eltern wiederum eine Beziehung auf, die beiden zogen in eine kurzfristig angemietete eigene Wohnung, doch im Mai 1999 verließ die Braut den Bräutigam endgültig und kehrte zu ihren Eltern zurück. Die sogenannte "serbische Hochzeit" zwischen der Braut und dem Bräutigam hatte am 28. 6. 1998 stattgefunden, zu einer standesamtlichen Eheschließung war es nicht gekommen.

Klage des Bräutigamvaters auf Rückzahlung des Freigabebetrages

Mit der Klage begehrt der Bräutigamvater die Rückzahlung des von ihm geleisteten "Freigabebetrages" mit der Begründung, dass der Grund für die Zahlung ausschließlich die Zustimmung der Beklagten zur ehelichen Verbindung ihrer Tochter mit dem Sohn des Klägers nach Roma-Tradition gewesen sei. Die Brauteltern hätten sich ausdrücklich verpflichtet, dem Kläger dieses Geld zurückzuzahlen, wenn ihre Tochter den Bräutigam verlassen sollte. Tatsächlich sei dies etwa drei Monate nach der Hochzeit geschehen. Seither sei die "eheliche Verbindung" aufgelöst. Die Beklagten hätten kein wie immer geartetes Recht, den vom Kläger geleisteten Geldbetrag zu behalten. Dies einerseits wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage, aber auch weil sie sich zur Rückzahlung verpflichtet hätten, darüber hinaus aber auch aus dem Titel der Bereicherung.

Brauteltern bestreiten

Die Brauteltern bestritten das Klagebegehren und wendeten die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil sämtliche Vereinbarungen entsprechend der Roma-Tradition geschlossen worden seien. Nach dieser Tradition sei es auch üblich, bei Streitigkeiten das sogenannte Roma-Kris, das Schiedsgericht, entscheiden zu lassen und nicht ein ordentliches Gericht. Den Betrag von S 140.000, den der Kläger bezahlt habe, hätten die Beklagten für Kleidung, Schmuck und Einrichtungsgegenstände des "Brautpaares" verwendet. Eine Bereicherung liege nicht vor, auch sei die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen, weil sich die Vereinbarungen bloß auf die "Hochzeit" bezogen hätten. Eine Vereinbarung über ein bestimmtes Verhalten der Tochter der Beklagten nach der Eheschließung gebe es nicht, eine solche Vereinbarung sei auch unwirksam. Im Übrigen habe sich das Zusammenleben der "Brautleute" als unmöglich erwiesen, woran die Ehefrau des Klägers Schuld trage.

Dazu der Oberste Gerichtshof

Letzendlich hatte der Oberste Gerichtshof die Sache zu entscheiden. Danach widerspricht es den Grundwertungen des österreichischen Ehe- und Familienrechts , wenn die Zustimmung zur Verlobung von einer Zahlung abhängig gemacht wird. Entscheidungen über die Eheschließung haben ohne Einschränkung der Willensfreiheit und ohne Anknüpfung an Bedingungen zu erfolgen. Dementsprechend widerspricht auch die Abhängigmachung der Zustimmung gegen Entgelt diesen Grundwerten. Eine wie im vorliegenden Fall vereinbarte Zahlung ist überdies auch geeignet, einen ernsthaften Druck auf die Motivation zur Eheschließung auszuüben.

Im Licht des § 879 Abs 1 ABGB kann daher eine Zahlungsvereinbarung wie die der Streitteile keinen Bestand haben. Bei Prüfung der Sittenwidrigkeit sind die Werteentscheidungen und Grundprinzipien der Rechtsordnung zugrundezulegen. Unter den guten Sitten ist der Inbegriff jener Rechtsnormen zu verstehen, die im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sind, sich aber aus der richtigen Betrachtung der rechtlichen Interessen ergeben. Die getroffene Vereinbarung widerspricht sohin den guten Sitten und unterliegt der Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 1 ABGB. Diese ist eine absolute, weil nicht nur die Vereinbarung, sondern auch die tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu missbilligen ist.

Mit dem "Behaltendürfen" des Freigabepreises für die Braut würde der Verstoß gegen die guten Sitten honoriert, obwohl der "Normzweck" es erfordert, die Vermögensverschiebung und nicht nur den Zwang zur Erfüllung zu missbilligen.

Dass bei einer absoluten Nichtigkeit die Rechtswirkungen von Amts wegen aufzugreifen sind und sich der Betreffende nicht ausdrücklich auf Sittenwidrigkeit berufen muss, ist in Lehre und Rechtsprechung unstrittig. In einem solchen Fall genügt es, wenn wie hier der anspruchsbegründende Sachverhalt aufgezeigt wird und unter Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs das Fehlen jeglichen Rechtsgrunds für das Behaltendürfen der Leistung das Klagebegehren begründet wird.

Der Bräutigamvater ist daher berechtigt, den von ihm den Eltern der "Braut" geleisteten "Freigabebetrag" zurückzufordern.

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